k r i t i k e n   . .   m u s i k t h e a t e r

 

 

 


Johannes Martin Kränzle as Jedermann
Martin: Jedermann-Monologe
Oper Frankfurt
(c) Barbara Aumüller

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Martin: Jedermann-Monologe (szenisch) in Warten auf Heute, Oper Frankfurt
(D: Soddy, I: Hermann)

Frankfurter Allgemeine Zeitung:
Es ist ein finsterer Kalauer, wenn der überragende, so gelassen präzise Johannes Martin Kränzle als halb dementer Jedermann von der Schwester im betreuten Wohnen die Styropor-Assiette mit dem Essen entgegennimmt mit den ersten Worten „Ist all zu End, das Freudenmahl“. Es folgen zwanzig Minuten feinstziselierten, unüberbietbaren Gesangs mit strenger Führung der Stimme, genauer Arbeit an der Sprache, aber ohne klinische Kälte, sondern voller nuancenreich mitschwingender Menschlichkeit. Dann das Abreißen des Singens mit starrem offenem Mund – einsames Sterben, Alter ohne Liebe, ohne jede Zuwendung….Frankfurt wird mit dieser Besetzung – sowohl Kränzle als auch Nylund singen ja in Bayreuth wie an der Met in New York – verwöhnt.

Frankfurter Neue Presse:
Und doch überragt ein Sänger mit seiner Darstellungskunst alle übrigen:Johannes Martin Kränzle. Einsam steht er da in seiner nachlässig zugeknöpften Hausjacke,hinter ihm ragt ein Müllberg aus geleertem Kunststoffboxen auf, in denen ihm die Mahlzeiten geliefert wurden und damit der stumme Beweis seiner tiefen Einsamkeit. Das Haar weiß, verwirrt und dünn, der Blick leer und depressiv. Johannes Martin Kränzle erweitert mit seinem Debüt als „Jedermann“ in Frank Martins eindringlichem Monolog- Zyklus seine Frankfurter Charakterstudien der existenziellenNacktheit um eine spektakuläre weitere. Ob Frederick Delius‘ schillernd böser schwarzer Geiger, Leoš Janáceks Frauenmörder Siskov2018, für den ihm der „Faust“ verliehen wurde, oder jetzt sein „Jedermann“: Wenn dieser Sänger die Bühne betritt, verändert sich die szenische Temperatur im Raum augenblicklich. Am stärksten, wenn er in der Schlussszene von Arnold Schönbergs „Begleitmusik zu einer Lichtspielszene“ erstmals auftritt und nichts weiter tut, als unverwandt ins Dunkle zu starren. In seinem Blick liegt dabei eine existenzielle Kälte und stumpfe Hoffnungslosigkeit, die kaum jemanden im Zuschauerraum unberührt lässt.

Neue Musikzeitung:
Nach der Pause blickt man in einen großen leeren Raum des Hauses, in einer Ecke haben sich Styropor-Schachteln, in denen Essen auf Rädern geliefert wird zu einer bizarren Installation gestapelt, ein alter Mann in schief zusammengeknöpfter Strickjacke wartet auf die nächste Mahlzeit. Nun schlägt die große Stunde von Johannes Martin Kränzle. Er ist der gealterte, verlassene Mann, der die sechs Monologe Frank Martins, die auf Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ zurückgehen als existentielle Selbstbefragung zeigt. Selten hat man diese Monologe subtiler, nuancierter und konzentrierter gehört. Kränzle vermeidet bellende Expression, er gestaltet vielmehr mit makelloser Diktion, moduliert grandios und erreicht mit kleinsten, aber präzis gesetzten schauspielerischen Mitteln maximale Intensität. … Wie Johannes Martin Kränzle ist auch Camilla Nylund auf dem Gipfel ihrer Möglichkeiten. Zwei große Sängerschauspieler machen diesen verblüffend schlüssigen Abend zum Ereignis

Deutschlandradio Kultur:
Nach der Pause gibt es die Jedermann-Monologe von Frank Martin, gesungen von Johannes Martin Kränzle. Er ist jetzt der alte Mann, der mit einem Berg von Styrophorpackungen mit Essen auf Rädern dort lebt und jetzt mitbekommt: der Tod naht sich unaufhaltsam. Und die Monologe aus dem Hofmannsthal´schen Stück reflektieren das. Johannes Martin Kränzle ist ein so großartiger Künstler. Das ist in jeder Sekunde gesungen, geformt, deklamatorisch, tiefenpsychologisch gestaltet: absolut faszinierend.

Hessischer Rundfunk ,HR2:
Auch wenn die Sänger allesamt hervorragend waren, muss einer herausgehoben werden und das war Johannes Martin Kränzle.Die Dramatik der Monologe war jederzeit greifbar und tief berührend. Kränzle, der als Sänger international sehr gefragt ist, war überragend, nicht nur was seine Stimme betrifft, sondern auch im ausdrucksvollen Spiel. Er ist dieser einsame Jedermann am Ende seines Lebens, verzweifelt, hilflos, hadernd. Und das durchlebt Kränzle so authentisch, dass er einen bannt und alles andere vergessen lässt, wie es selten in einer Opernaufführung so geschieht.

Frankfurter Rundschau:
„Hie wird kein zweites Mal gelebt“, singt Jedermann Hugo von Hofmannsthals Text. Denn nach der Pause geht es um den Tod und um zwei große reife Stimmen, einen großen Darsteller, eine große Darstellerin. Kränzle ist immer noch in dem Haus. Der Mann wird hier irgendwie versorgt (die Plastikbehälter fürs Essen: ein trostloser Berg), aber mit seinen Monologen ist er unfassbar allein, ein Alleinsein, das Kränzle mit seinem zurückhaltenden Spiel beglaubigt. Er zeigt das Gesicht eines Menschen, der weiß, dass ihn niemand mehr sieht. Dass die Musik schön ist, groß ist, groß gesungen, groß musiziert, hilft nichts. Jedermann bricht zusammen, die Sanitäter können nichts mehr für ihn tun. Niemand wird ihn vermissen.

Rondo:
Nach der Pause ist der Mann alt. Johannes Martin Kränzle gibt grandios eine verlorene Seele, die nach Gott ruft. Aber es kommt nur die Essen-auf-Rädern-Frau. Selten war Einsamkeit stärker zu greifen. Er stirbt.

Orpheus:
Unangefochtenes Highlight des Abends ist Johannes Martin Kränzle, dessen Gesamtleistung sich auf einem derart hohen Niveau bewegt, dass man sich fragen muss, ob das überhaupt noch zu steigern ist. Stimmlich gewohnt tadellos berührt er als Jedermann vor allem auch durch seine schauspielerische Leistung. Einen ergreifenderen, „kaputteren“ Jedermann hat man selbst in Salzburg kaum gesehen.

Feuilleton Frankfurt:
Die „Sechs Monologe aus Jedermann“ haben mich szenisch wie musikalisch am meisten fasziniert... Wie Johannes Martin Kränzle das singt und ‚spielt‘, geht wirklich an die Substanz. Unglaublich.

Die Welt:
Nach der Pause ist er alt und verlottert, in einem dämlichen Pulli, gegen den Johannes Martin Kränzle ganz nonchalant anspielt und singt. Eine verlorene Seele, der plötzlich nach einem Gott ruft. „Ist all zu End, das Freudenmahl“, so hebt er mit seiner debil wirkenden Suada an. Aber es kommt nur die Essen-auf-Rädern-Frau, deren Warmhaltebox gleich auf dem eisbergartigen Haufen von Styroporschachteln landet, die den Raum zu überfluten scheinen. Das Haus steht jetzt fast still, das Jetzt tropft. Und keiner weiß, wie sich der greinende Mann, dem nicht einmal mehr Frank Martins dunkel-flächige Orchesterfakturen Würde geben, sich so gehen lassen konnte. „Jedermann“ in einem gänzlich neuen Kontext. Dabei verkörpert von einem tollen, überlebensgroßen Sängerdarsteller, der sich beflissen klein macht. Selten war Einsamkeit stärker zu greifen.

Opernwelt:
In den sechs Monologen aus “Jedermann” von Frank Martin spitzt sich das existentielle Ausmaß der Tragödie noch einmal zu. Bariton Johannes Martin Kränzle verkörpert hier den gealterten Mann am Encde seines Lebens.Mit herausragender Interpretationskunst zeichnet er des Psychogramm eines vereinsamten, von Todesängsten heimgesuchten Menschen. Das Haus wird zum Grab, in dem sich weiße Plastikboxen eines gelieferten Mittagstiches bis zur Decke stapeln. Der alte Mann in der schiefgeknöpften Strickjacke wird zum tragischen Helden.

Süddeutsche Zeitung:
Im zweiten Teil des Frankfurter Abends ist zu erleben, was danach im schlimmsten Fall beiden Seiten bevorsteht: ein ziemlich einsames Alter. Er stirbt im Müll der Essensschachteln, die ihm von einer jungen Pflegerin angeliefert werden. Und sie durchleidet angesichts der Leiche noch einmal, was sie von diesem Mann getrennt, vor allem aber auch mit ihm verbunden hat. Die Klänge dazu liefern zwei existenzielle Einsamkeitsmusiken aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: für ihn die sechs Monologe, die Frank Martin nach Hugo von Hofmannsthals "Jedermann" komponierte; für sie Schönbergs "Erwartung" aus dem Jahr 1909. Der Bariton Johannes Martin Kränzle verleiht Martins Klage enorme Eindringlichkeit, lotet mittels expressiver Textdeutung das ganze Spektrum zwischen. Angst und Todessehnsucht, Aufbäumen und Schicksalsergebenheit aus.

Deutschlandfunk:
Es ist einsam geworden um den nunmehr alten Mann. In scheußlicher, grau- blau- gemusterter Wolljacke steht er in seinem Haus zwischen einem Berg aus leeren Essenverpackungen und hat Todesangst. Die Übertragung des Liederzyklus von Frank Martin auf die große Opernbühne funktioniert sehr gut, weil die Orchesterfassung sehr farbig und theatral ist, vor allem aber hervorragend, weil der berührende Johannes Martin Kränzle hier den verzweifelt desolaten Alten singt. Die Decke fällt ihm buchstäblich auf den Kopf, denn die Zimmerdecke wurde heruntergefahren.Der Mann flüchtet sich schließlich in den Glauben und kann nur noch den Himmel um Vergebung bitten, bevor er stirbt.

Die Rheinpfalz:
Die „Jedermann“-Monologe zeigen dann das Sterben des gealterten Ehemanns im viel zu großen ehemaligen gemeinsamen Haus. Frank Martin hat den Zyklus seiner sechs Klavierlieder nach Hugo von Hofmannsthals gleichnamigem Stück selbst orchestriert, anfangs üppig instrumentiert und am Schluss kontinuierlich reduziert, bis die nackte Gesangsstimme übrigbleibt. Johannes Martin Kränzle zeigt die Entwicklung dieses Jedermanns von der Verweigerung über die Verbitterungbis hin zur Akzeptanz des Todes. Er erzählt die Geschichte vom einsamen individuellen Sterben, verleiht der Figur aber gleichzeitig christologische Züge. Und er singt mit einer atemberaubenden Intensität, die die Spröde des Textes und die Wucht der Musik vereint.

Mannheimer Morgen:
Nach der Pause folgen Martins Jedermann-Monologe mit dem fantastischen Johannes Martin Kränzle. Die Passage wird ebenfalls zu einem eisernen Überlebenskampf in Routinen von Essensdienst. Denken, Zweifeln Sehnen. Kränzle modelliert sienen Bariton in extreme Charakterisierungen hinein.

Der Opernfreund:
Auf einer Stufe mit dieser außerordentlichen Leistung, im gleichen Rang des kaum Überbietbaren hatte zuvor Johannes Martin Kränzle die Zuhörer mit den Sechs Monologen aus „Jedermann“ gerührt und überwältigt. Diesen Liederzyklus von Frank Martin aus dem Jahr 1949 hat das Produktionsteam in den Schönberg-Abend hineingepflanzt. Die musikalischen Mittel wirken inmitten der komplex-ambitionierten atonalen Klanggebilde wie melancholische Rückblicke auf eine vergangene Musiktradition. Das von Schönberg zuvor in höchste Aufmerksamkeit versetzte Ohr hört nun aber auch genauer auf die Textur und die dunklen Farben einer Komposition, die mit vertrauten Mitteln die Seelenlage eines Mannes am Ende seines Lebens auslotet. Kränzle ist für diesen Zyklus der ideale Interpret, da er seit Jahren sowohl bei seinen Liederabenden als auch auf der Opernbühne brilliert. Selbst mit Wagner-Partien ist er nie über die Grenzen seines edel timbrierten Bariton-Materials hinausgegangen. So hat er sich eine in allen Registern intakte Stimme über die Jahre bewahrt, sonor, aber nicht wuchtig in der Tiefe, voll strömend, dabei angenehm schlank in der Mittellage und unangestrengt in der Höhe. In den Texten von Hugo von Hofmannthal gelingt es Kränzle, deren Bedeutungstiefe nachzuspüren, ohne in manieristische Posen zu verfallen. Der Vortrag ist von großer Natürlichkeit und verbindet doch nuancierte Textbehandlung mit genauer musikalischer Ausdeutung.

Darmstädter Echo:
Auf Schönbergs Parodie auf die Zeitoper folgt das Pathos von Frank Martins sechs Monologen aus “Jedermann”. Diese Relikte eines Opernprojekts nach Hofmannsthal finden in der Gestaltung des Sängerdarstellers Johannes Martin Kränzle ihren idealen Ausdruck. Er ist nun, nach der Pause, der verlassene Mann aus der Schönberg- Kombination und fristet im Einfamilienhäuschen sein ungepflegtes Altmännerdasein. Nur Essenauf Rädern bringt Abwechslung in den Alltag, und der Verpackungsmüll stapelt sich als Messie-H aufen zu einer Metapher der Einsamkeit. “Ist alls zu End das Freudenmehl” singt er dazu, das Grauen vor dem Tode artikulierend. Gewaltige Schläge aus dem Orchestergraben strecken ihn buchstäblich auf dem Dachbodener und sind die eruptiven Höhepunkte im tonalen Kontrastprogramm zur ersten Premierenhalbzeit. Das Puppenhaus ist ein Geisterhaus geworden, in dem der alte Mann den Mund zum ewigen Schrei aufreißt. Großartig.

 

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